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Unterricht planen und gestalten

Eine exakte Erhebung der individuellen „Lernausgangslage“ hilft der Lehrkraft dabei, den individuellen Lernbedürfnissen der Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden. Hierzu ist es wichtig, differenzierte Informationen zu individuellen Stärken und Schwächen zu erfassen sowie soziale und personale Faktoren in die Betrachtung mit einfließen zu lassen. Somit kann die Förderung dort ansetzen, wo die individuellen Ressourcen liegen.

 

Schülerinnen und Schüler aus dem Förderbedarf Hören haben es insbesondere mit den folgenden Schwierigkeiten zu tun:

*Unter geteilter Aufmerksamkeit versteht man die Fähigkeit, zwei oder mehrere Dinge gleichzeitig zu beachten oder darauf zu reagieren, z. B. Zuhören und gleichzeitig Mitschreiben.

 

Des Weiteren bestehen besonders im sozial-emotionalen Bereich einige Entwicklungsrisiken:

Ursache

Folge

 

 

Die Orientierungsfunktion des Gehörs ist beeinträchtigt.

Unsicherheit und Versuch zur Kompensation durch vermehrtes Nacharbeiten am Nachmittag: Gefahr von übermäßiger Belastung

Die willkürliche Aufmerksamkeitssteuerung funktioniert nicht: die Alarmierungsfunktion des Gehörs ist beeinträchtigt.

 

 

Die Kommunikationsfunktion des Gehörs ist beeinträchtigt.

Isolation und Frustration

 

 

Die soziale und emotionale Wahrnehmungsfunktion des Gehörs ist beeinträchtigt.

Missverständnisse und Frustration

 

 

Durch Hör-Ermüdung und Überlastung

Verhaltensauffälligkeiten

 

 

Man sieht die Behinderung oft nicht.

Für die betroffene Person wird wenig Verständnis aufgebracht.

 

Auswirkungen auf Schule und Unterricht

Mit einer beeinträchtigten Hör-Leistung kommen Sprachverstehen, Aufmerksamkeit und Sozialverhalten ins Wanken, was dazu führt, dass traditionelle Unterrichtsformen von Schülerinnen und Schülern mit dem Förderbedarf Hören unter Umständen nicht gut gemeistert werden.

Maßnahmen im Rahmen der individuellen Unterstützung

Einen ersten groben Überblick über mögliche Maßnahmen zur Unterstützung der betroffenen Schülerinnen und Schüler gibt die folgende Graphik:

Eine individuell anpassbare Checkliste mit den nachfolgenden Konkretisierungen finden Sie hier

Sitzplatz

  • Das Ohr, das besser hört, sollte eher in den Raum gerichtet sein (starkes Ohr in den Raum, schwaches Ohr zur Wand)
  • eher vorne, am besten 1. Reihe
  • wenn möglich: feste Sitznachbarin bzw. fester Sitznachbar zur Unterstützung
  • Drehstuhl, damit eine Ausrichtung zur/zum Sprechenden hin möglich ist
  • Antlitz-Gerichtetheit der bzw. des Sprechenden hin zur hörgeschädigten Person
  • blendfreier Blick zur Sprechenden bzw. zum Sprechenden, zur Tafel bzw. zur Präsentation (Unterstützung beim Lesen des Absetzbildes)

               

Raumakustik / Lärmreduzierung

  • Akustikdecke; Wandpaneele / Pinnwände
  • Lärm reduzierende Maßnahmen, wie z. B. Teppichboden, Vorhänge, Filzgleiter, Tischauflagen
  • geräuscharme Technik verwenden (Beamer, Lüftungsgeräte etc. bei Nicht-Verwendung ausschalten)

               

Technische Versorgung

  • FM-Übertragungsanlage o. ä.; Spracherkennungs-Software (mit Hilfe dieser Software wird Sprache in Text transferiert)
    Vorsicht: technische Hilfsmittel bleiben eine Prothese und können natürliches Hören nicht im vollen Umfang ermöglichen.

               

Klassengröße

  • Kann zusätzliches Budget zur Reduzierung der Klassengröße organisiert werden?
  • Teilung der Lerngruppen in einzelnen Fächern bzw. Stunden.
  • Teamteaching
  • Balance zwischen „verstehender Zuwendung“ (Empathie) und Führung (Forderung)
  • mit Motivationsproblemen rechnen: Schülerinnen und Schüler sind unter Umständen deutlich motivierter, wenn mit ihnen zuvor eindeutig über Beginn, Dauer und Ende einer Arbeitsaufgabe gesprochen wurde. Auch langsam gesteigerte Arbeitsaufgaben einzufordern und im Anschluss Auszeiten zu gewähren, wirkt motivationssteigernd.
  • Geduld aufbringen
  • Unterstützung durch schriftliche Materialien (insbesondere auch bspw. bei Krankheit und Fehltagen): Befreiung / Entlastung der bzw. des Betroffenen vom Mitschreiben-Müssen (z. B. Abfotografieren oder digital zur Verfügung stellen)
  • klare, saubere Schrift an der Tafel bzw. unter der Dokumentenkamera
  • benachbarte Schülerinnen und Schüler sollten ebenfalls auf eine möglichst lesbare Schrift und selbst gut auf die Vollständigkeit ihrer Mitschriften achten.
  • bei der Aneignung von Lern-, Kommunikations- und Kompensationsstrategien unterstützen
  • Rückmeldung von den Schülerinnen und Schülern einholen
  • attributionales Feedback geben (die Konzentrationsleistung einer hörgeschädigten Schülerin bzw. eines hörgeschädigten Schülers ist stärker gefordert als bei den „Normal-Hörenden“)
  • Selbsttätigkeit der Schülerin bzw. des Schülers fördern
  • Transparenz: Klarheit / Vorhersehbarkeit am Anfang der Stunde: Was kommt wann in der Unterrichtsstunde? Der Unterrichtsverlauf kann der betreffenden Person zu Stundenbeginn schriftlich ausgehändigt werden oder für alle sichtbar aufgehängt werden.
  • Struktur schafft Verlässlichkeit: Zusammenfassungen nach Teilzielen (auch durch Schülerinnen und Schüler) um den roten Faden in der Stunde erkennbar zu halten.
  • Aufklärung und Rücksichtnahme des sozialen Umfelds / der Klasse; der hörgeschädigten Person soll das Zuhören durch Minimierung des Störschalls erleichtert werden.
  • Der hörgeschädigten Person die Gelegenheit geben, sich in Sprachtempo, Sprachmelodie, Sprechweise der Lehrkraft „einzuhören“.
  • Methodenwechsel: Einplanen von Hörpausen durch Eigenaktivität der Schülerinnen und Schüler
  • Visualisierung: visuelle Anker schützen die Schülerin bzw. den Schüler vor allzu hoher kognitiver Belastung
  • Redundanzen / Wiederholungen / Zusammenfassungen: Nutzung neuer Formulierungen und/oder ganzheitlicher Zugänge
  • Reduktion: Wichtiges hervorheben – Unwichtiges reduzieren
  • Lehrersprache / Sprachmodulation: Deutlich, betont und langsam sprechen, Anwenden von Lehrer-Echo
  • Pausen machen / „abwarten können“: Strukturierung von Sinn-Einheiten; die Lernenden erhalten die Chance, über das Gesagte nachzudenken, Fragen dazu zu stellen und die Hörpause zu nutzen
  • paralleles Arbeiten vermeiden: bspw. nicht zur gleichen Zeit Gruppenarbeitsphase und Tafelanschrift inkl. Erklärungen
  • Verständnisfragen stellen am Stundenende z. B. Arbeitsblatt mit Sicherungsfragen an alle Schülerinnen und Schüler ausgeben
  • individuelle Erläuterungen: Die Schülerin bzw. der Schüler soll möglichst viel während des Unterrichts mitbekommen, um zusätzliche Kompensationsleistung zu verringern.

 

Links und Materialien

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (Hg.) (2019): Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS), S. 61ff.

Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS)

 

Förderschwerpunkt Hören – IM FOKUS (ISB)

 

Individuelle Förderung im RegelunterrichtI (ISB Portal - Gemeinsam Brücken bauen)

 

Lehrstuhl für Lernbehindertenpädagogik der Ludwig-Maximilians-Universität München: Unterrichtsprinzipien und Besonderheiten zur Arbeit mit hörgeschädigten Schülerinnen und Schülern.

 

Literatur

 

Becker, C. (2015). Bilingualer Unterricht als Chance für die gemeinsame Beschulung hörender und hörgeschädigter Schülerinnen und Schüler. In: Biewer, G., Böhm, E.T., Schütz, S. (Hrsg.). Inklusive Pädagogik in der Sekundarstufe. Stuttgart: Kohlhammer Verlag. S. 94-112

 

Truckenbrodt, T., Leonhardt, A. (2020). Schüler mit Hörschädigung im inklusiven Unterricht. München: Ernst Reinhardt Verlag.

 

Hammann, C. (2019). AVWS - Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen bei Schulkindern. Idstein: Schulz-Kirchner Verlag.

 

Hintermair, M., Knoors, H., Marschark, M.(2014). Gehörlose und schwerhörige Schüler unterrichten. Psychologische und entwicklungsbezogene Grundlagen. Heidelberg: Median-Verlag.