Schulbegleitung
Eine Form der sozialrechtlichen Unterstützung durch die Eingliederungshilfe ist die Schulbegleitung für Schülerinnen und Schüler mit einer Behinderung und einem entsprechenden Hilfebedarf.
Ob eine Schulbegleitung geeignet und notwendig ist, um den Hilfebedarf abzudecken, entscheidet alleine der zuständige Kostenträger. Die Schule und i. d. R. auch der MSD erstellen jedoch eine Stellungnahme. Hier ist darzulegen, was die Schule leistet und warum es einer zusätzlichen Unterstützung für den Schülerbedarf. Der rechtzeitige Kontakt zwischen den Erziehungsberechtigten und dem Kostenträger ist sinnvoll, um die Behinderung, den Hilfebedarf und die ggf. zu leistende Eingliederungshilfe abzuklären.
Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter kommen sowohl in allgemeinen Schulen als auch in Förderschulen zum Einsatz. Ihre Aufgabe ist es, den individuellen behinderungsbedingten Unterstützungsbedarf von einzelnen Schülerinnen und Schülern mit Behinderung abzudecken. Nach § 112 Abs. 4 SGB IX ist es möglich, eine Schulbegleitung für mehrere Schüleinnen und Schüler mit einem solchen Anspruch zusammenzufassen. Erfordert der Hilfebedarf eine individuelle Assistenz nur für das eine Kind, ist ein solches Pooling jedoch ausgeschlossen.
Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter unterstützen Kinder und Jugendliche, die aufgrund ihrer Behinderung beim Schulbesuch auf individuelle Hilfen angewiesen sind, um Defizite im pflegerischen, motorischen, sozialen, emotionalen und kommunikativen Bereich auszugleichen. Sie helfen u.a. bei lebenspraktischen Verrichtungen, erledigen anfallende einfache pflegerische Tätigkeiten während der Schulzeit und unterstützen ganz allgemein bei der Orientierung im Schulalltag. Beispielsweise kann eine Unterstützung im emotionalen Bereich im Hinblick auf die Bewältigung von Ängsten oder die Teilnahmefähigkeit am Unterricht (Aufmerksamkeit) erforderlich sein. Die Bandbreiteder Aufgaben reicht dementsprechend von der Begleitung auf dem Schulweg und gelegentlichen Unterstützungsleistungen während des Unterrichts bis hin zu einer intensiven Betreuung während der gesamten Unterrichtszeit.
Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter sind jedoch keine Zweitlehrer, Nachhilfelehrkräfte, Hausaufgabenbetreuer oder Assistenten der Lehrkräfte bei der Vermittlung der Unterrichtsinhalte.
Die schulpädagogische und didaktische Verantwortung für die Vermittlung des Lehrstoffs ist Aufgabe der Lehrkräfte. Eine Schulbegleitung im Kernbereich der pädagogischen Tätigkeit ist auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ausgeschlossen. Dieser Kernbereich der Schule „beschränkt sich eng auf die Unterrichtsgestaltung selbst, d.h. die Vorgabe und Vermittlung der Lerninhalte, die Bestimmung der Unterrichtsinhalte, das pädagogische Konzept der Wissensvermittlung und die Bewertung der Schülerleistungen“, die den Lehrkräften vorbehalten ist (BSG, Urteil vom 18.07.2019, Az. B 8 SO 2/18 R). Dem Anspruch auf Eingliederungshilfe unterfallen dagegen „sowohl unterrichtsbegleitende als auch sonstige pädagogische Maßnahmen, die nur unterstützenden Charakter haben, sowie nichtpädagogische Maßnahmen“. Der Kernbereich pädagogischer Tätigkeit ist nach dem BSG nicht betroffen, wenn die Schulbegleitung „die eigentliche pädagogische Arbeit der Lehrkraft nur absichert (‚begleitet‘)“. Ihn berühren deshalb „alle integrierenden, beaufsichtigenden und fördernden Assistenzdienste nicht, die flankierend zum Unterricht erforderlich sind, damit der behinderte Mensch das pädagogische Angebot der Schule überhaupt wahrnehmen kann“ (BSG aaO). Außerhalb des Kernbereichs der pädagogischen Arbeit ist eine Leistungspflicht des Eingliederungshilfeträgers zu bejahen, solange und soweit die Schule die
Deckung der Bedarfe nicht selbst leistet, auch wenn davon pädagogische Aufgaben der Schule mit umfasst sind. Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für Regelschulen wie für Förderschulen.
Ziel der Eingliederungshilfe ist, dass der junge Mensch erfolgreich Lernziele erreicht, am Bildungs- und Erziehungsprozess im Rahmen der schulischen Bildungsangebote gemeinsam mit Schülern ohne Behinderung teilhaben kann und mit einemje nach Behinderung steigenden Grad der Selbständigkeit und Selbstbestimmung auch unabhängiger von Hilfen wird. Aufgabe der Schulbegleitung ist daher die Unterstützung des Kindes oder Jugendlichen mit Behinderung zur altersgerechten und den Voraussetzungen entsprechenden Selbstständigkeit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Insbesondere im Bereich der seelischen Behinderung ist es das Ziel, dass die Schülerin bzw. der Schüler so gefördert wird bzw. sich so entwickelt, dass die Schulbegleitung nicht mehr notwendig ist. Auch die Schule hat einen Erziehungsauftrag und nach Art. 2 Abs. 1 BayEUG zu eigenverantwortlichem Handeln zu befähigen.
Schule und Schulbegleitung haben jeweils einen eigenen Auftrag auf der Basis unterschiedlicher Rechtsgrundlagen. Es handelt sich um eine gemeinsame Verantwortung bei unterschiedlichen Zuständigkeiten. Daher ist es wichtig, dass Schule und Eingliederungshilfe/Jugendhilfe möglichst abgestimmt handeln. Hilfe- bzw. Teilhabepläne und etwaige schulische Förderpläne sollten miteinander und im besten Fall aufeinander abgestimmt werden. Gemeinsame Ziele und ihre Förderung machen die Umsetzung effektiver und reibungsärmer. So werden z.B. Ziele im Bereich Verhalten oder Selbständigkeit nur schwer erreicht werden können, wenn Schule und Schulbegleitung bei den Zielen in verschiedene Richtungen gehen. Aus den gleichen Gründen gilt es, die Erziehungsberechtigten einzubeziehen. Nicht zwingend, aber hilfreich ist es, (wenige) konkrete Ziele und Maßnahmen im Förderplan kurz festzuhalten. Damit hat man ein Instrument zur Dokumentation, das einen Rahmen für Gespräche mit Eltern und Schulbegleitung gibt – sowohl inhaltlich als auch zeitlich (vgl. regelmäßige Gesprächstermine statt vieler Kontakte). Er ist zugleich Grundlage, um nach der jeweils vorgesehenen Zeiteinheit zu klären, ob die Maßnahmen erfolgreich waren und ggf. fortgeführt werden sollen, oder ob es anderer Maßnahmen bedarf.
Aufgrund der jeweils eigenen Aufträge von Lehrkraft und Schulbegleitung ist es wichtig, Rollen, Aufgaben und Vorgehensweisen rechtzeitig abzusprechen und mögliche Schwierigkeiten zu antizipieren und vorab zu klären (und nicht in der Situation vor der Klasse) bzw. danach zu reflektieren. In den Empfehlungen zur Schulbegleitung nach SGB VIII heißt es dazu:
„Der Schulleiter ist gemäß Art. 57 Abs. 2 Satz 1 BayEUG für einen geordneten
Schulbetrieb und Unterricht verantwortlich. Der Schulleiter hat in Fragen des Schul-
und Unterrichtsbetriebs ein Weisungsrecht, das er an die Lehrkräfte in der Klasse
delegieren kann. Die Lehrkräfte tragen gemäß Art. 59 Abs. 1 Satz 1 BayEUG die
unmittelbare pädagogische Verantwortung für den Unterricht und die Erziehung der
Schüler. In diesem Kontext übt der Schulbegleiter seine Eingliederungshilfe eigen-
verantwortlich nach Maßgabe des Hilfeplans aus. Zur Vermeidung von Abgren-
zungsschwierigkeiten und für eine bestmögliche Wirksamkeit von Schule und Ein-
gliederungshilfe sind der konkrete Aufgabenbereich des Schulbegleiters und seine
Entscheidungsspielräume zu beschreiben. Darüber hinaus sind zwischen Lehrkraft
und Schulbegleiter, ggf. auch zwischen Schulleitung und Jugendamt, konkret in der
Zusammenarbeit entstehende Fragen der Abstimmung zu klären.
In konkreten und eilbedürftigen Situationen entscheidet die Lehrkraft bzw. der Schul-
leiter aufgrund der Gesamtverantwortung Art. 57 Abs. 2 Satz 1 BayEUG.
„Die Aufsichtspflicht verbleibt bei der Schule; in besonderen Fällen wird die Aufsicht
durch den Schulbegleiter in Abstimmung mit der Lehrkraft ausgeübt.“
Es ist daher zwischen Lehrkraft und Schulbegleitung insbesondere abzustimmen, in welchen Fällen die Schülerin bzw. der Schüler mit der Schulbegleitung den Raum verlässt (bzw. wie in den Situationen vorgegangen wird) und was in dieser Zeit passieren soll.
Für ein gutes Miteinander empfiehlt es sich auch Fragen der Alltagsorganisation vorab zu klären, wie z.B. Zutritt zum Lehrerzimmer, Mitbenutzung des Lehrerparkplatzes, Pause für die Schulbegleitung.
Bei der Beantragung der Schulbegleitung können die Erziehungsberechtigten Unterstützung durch die Jugendsozialarbeit erhalten.
Die verantwortlichen Lehrkräfte planen und besprechen die Aufgaben der Schulbegleitung bei einem Runden Tisch am Anfang des Schuljahres. In regelmäßigen Abständen überprüfen die Lehrkräfte die besprochenen Maßnahmen.